Das
19. Jahrhundert
war in Europa von einem zunehmenden Nationalismus geprägt, der
z.B. auch in Deutschland zur Gründung eines lange angestrebten
Nationalstaates führte. Für das von den Habsburgern
regierte Kaisertum Österreich und das spätere
Österreich-Ungarn stellte dieser zunehmende Nationalismus
innerhalb der eigenen Grenzen eine Bedrohung der gesamten Monarchie
dar. Man spricht daher in diesem Zusammenhang gerne vom so genannten Nationalitätenproblem.
Bereits der Ausgleich
zwischen Österreich und Ungarn und damit
die Gründung der Doppelmonarchie war eine Notwendigkeit um den
Staat in seiner Größe überhaupt zu retten.
Dennoch schien die Donaumonarchie in einer Zeit, als immer mehr
Nationalstaaten entstanden (z.B. Deutsches Reich, Bulgarien, Italien
usw.) völlig unzeitgemäß. Trotzdem wird
heute allgemein angenommen, dass das Nationalitätenproblem mit
den richtigen Reformen hätte gelöst werden
können.
Fatalerweise war die einzige wirkliche Reform die durchgeführt
wurde, der Ausgleich von 1867, der den Ungarn einen ähnlichen
Stellenwert, wie den Österreichern einräumte. Gerade
in der ungarischen Reichshälfte wurden aber während
der Zeit der k.u.k. Monarchie die anderen Nationen stark
unterdrück und teilweise sogar Zwangsmagyarisiert. Die von
Ungarn verwalteten Gebiete wurden, trotz ihrer Völkervielfalt,
praktisch wie ein Nationalstaat regiert. Obwohl es in der
österreichischen Reichhälfte
teilweise nicht ganz so schlimm zuging wurde auch hier das
Verhältnis zwischen den Völkern, speziell zwischen
Österreichern und Tschechen, immer schlechter.
Zu den nicht durchgeführten Reformen gehörte
z.B. die
Idee den südslawischen Nationen, unter Führung der
Kroaten, den Gleichen Stellenwert wie den Österreichern und
den Ungarn einzuräumen. Die Habsburger versprachen sich von
diesem Konzept, neben einer Schwächung der Ungarn, auch die
Einschränkung der Großserbischen Ambitionen.
Eine ähnliche Idee mit Tschechien, die schließlich
zu einem Deutsch-Tschechischen Ausgleich führen sollte, wurde
ebenfalls nicht verwirklicht.
Einen aus heutiger Sicht sehr interessanten, jedoch nur schwer
durchführbaren, Reformkurs unterstützte der
später
erschossene Thronfolger Franz-Ferdinand.
Die Vordenker rund um den Thronfolger planten eine radikale
politische Neuordnung durch die Bildung von halbautonomen Teilstaaten
als Teil einer großen Förderation, den so genannten
Vereinigten Staaten von Groß-Österreich. Der Jurist und Politiker Aurel
Popovici erarbeitete schließlich sogar einen konkreten Vorschlag und
veröffentlichte diesen 1906.
Dabei sollten die neu entstehenden Gliedstaaten eine möglichst
einheitliche Sprache und Ethnie besitzen. Konkret waren folgende
Staaten geplant:
Teilstaat
|
Sprache / Ethnie |
Deutsch-Österreich |
Deutsch |
Deutsch-Böhmen |
Deutsch
|
Deutsch-Mähren |
Deutsch |
Böhmen |
Tschechisch |
West-Galizien |
Polnisch |
Ost-Galizien |
Ruthenisch (Ukrainisch) |
Siebenbürgen |
Rumänisch |
Kroatien |
Kroatisch |
Krain |
Slowenisch |
Slowakenland |
Slowakisch |
Woiwodina |
Serbisch |
Ungarn |
Ungarisch |
Seklerland |
Ungarisch |
Trento |
Italienisch |
Triest |
Italienisch |
Bosnien-Herzegowina |
war 1906 noch nicht Annektiert, daher
Okkupationsgebiet |
Aus
heutiger Sicht
wäre diese Reform, falls Erfolgreich, wohl eine der langlebigsten
gewesen. Jedoch wäre auch mit starkem Widerstand z.B. von den Ungarn,
die dadurch Macht verloren hätten, zu rechnen gewesen.
Mit Reform und ohne den Weltkrieg gäbe es die Donaumonarchie womöglich
noch heute. Stattdessen wurde aber bis 1914 weder diese noch andere
Reformen
durchgeführt und eine Politik der Verschleppung betrieben, die
schließlich keines der Probleme lösen konnte. So war
es auch
nicht
verwunderlich, dass am Ende des ersten Weltkrieg das Reich in so viele
Einzelteile zerbrach und viele vormals Zusammengehörente
Nationen ihren eigenen Staat ausriefen (siehe Zerfall).
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